Sandsturm

Was für eine Nacht! Gestern wurden wir von unserem ersten Sandsturm überrascht! Aber ich erzähle vielleicht trotzdem besser der Reihe nach.

Nach dem Frühstück sind wir losgeritten in Richtung Bir Biriya, wurden jedoch nach kurzer Zeit von einer Polizeikontrolle (mitten in der Wüste!) aufgehalten. Da die Beduinen größtenteils einen anderen Weg genommen hatten und nur Adel und der kleine Ahmed mit uns und den Kamelen liefen, hatte Adel einiges an Erklärungsnotstand, so ganz allein mit uns unterwegs. Die Kamele freuten sich über die unerwartete Pause und grasten jeden Strauch ab, den sie im Umkreis finden konnten. Ich verlor bei diesem Gezupfe und Gerupfe jedoch meinen Zügel und somit jede Kontrolle über mein Kamel und war dankbar, als Ahmed endlich auf meine verzweifelten Rufe reagierte, den Zügel aus den Vorderhufen des Kamels entwirrte und es weiter gehen konnte. Nach gut zwei Stunden Ritt kamen wir in ein wirklich schönes Wadi, an einen Brunnen unter einem Palmenhain. Das ganze sah aus wie eine Szene aus meiner illustrierten Kinderbibel, irgendwie unwirklich.

Während die Beduinen die Kamele an diesem Brunnen tränkten, der aussah, als existierte er seit biblischen Zeiten, saßen wir im Schatten und dösten vor uns hin. Die Beduinen bereiteten das Essen, während wir uns mit dem frischen Brunnenwasser wuschen. Später, während wir aßen, war dann bei den Beduinen "Badestunde" angesagt. Es war schon interessant zu beobachten, wie sie sich aus ihren Tüchern und Thobs schälten und in sehr westlich anmutenden Shorts und mit offenem Haar, mit diversen wohlduftenden Duschlotionen, Shampoos und Frottiertüchern bewaffnet, in den großen Zuber stiegen, mit dem sie vorher die Kamele getränkt hatten ... ich habe natürlich nur ganz unauffällig hinübergeschielt, man möchte ja nicht indiskret wirken ...

Am Abend suchten wir uns alle unsere Nachtlager und gingen dann zum Essen. Farag erzählte "Beduinenwitze" und gab uns Rätsel zu lösen auf und so verging eine ganze Zeit. Zwischenzeitlich hatte sich der Himmel etwas zugezogen und wir rechneten schon mit Regen und diskutierten darüber, wo wir nun am besten schlafen könnten, ohne dass es uns im Schlaf wegspülen würde. Evas und mein Schlafplatz würde sich bei Regen in ein reißendes Flussbett verwandeln und wir waren nicht wild darauf, das zu erleben. Wir beschlossen, nah bei den anderen zu bleiben, holten unsere Sachen ans Lager und setzten uns, um noch einen Tee zu trinken. Die Wolken verdeckten den Mond und es war stockdunkel jenseits unseres Lagerfeuers. Plötzlich und unerwartet hörten wir ein Geräusch, ein seltsames helles Heulen, wie von einem Düsenjet. Wir schauten nach oben und hinten, um das Geräusch zu orten und sahen am Ende des Wadis, das in einer Art Sackgasse endete, wo die Steilwände der umliegenden Berge es begrenzten, wie eine Art Nebeldecke vom Hochplateau zu uns hinunter "waberte".

Bevor wir richtig darüber nachdenken konnten, war dieser "Nebel" jedoch schon bei uns, in Form von windgepeitschtem Sand! Innerhalb von Sekunden war der Teufel los, um uns herum flog alles durch die Luft, unser Gepäck, sogar die kleineren Rucksäcke, Isomatten, Jacken. Die Beduinen rannten los, um zu retten, was sie konnten und versuchten den Sturm zu übertönen und uns klarzumachen, dass wir uns unter den Wolldecken hinter den Kamelsatteln in Sicherheit bringen sollten, aber man verstand kaum ein Wort und jeder wollte seine Sachen einsammeln, es war wirklich beängstigend und total chaotisch. Der Wind peitschte die Glut aus dem Feuer und kleinere Kohlenstücke und es roch überall nach verbrannten Haaren und angekokelter Wolle und manchmal ziepte es ganz schön auf der Haut, deshalb befolgten wir letztendlich die Anweisungen, ließen die Sachen hinwehen wo sie wollten und krochen unter die Decken. Hinter dem aus Holzsatteln, Palmenstämmen, Reisetaschen und Teppichen aufgetürmten Wall war es einigermaßen windgeschützt und irgendwann trudelten auch die Beduinen wieder ein, nachdem sie Kamele, Proviant und Ausrüstung weitestgehend in Sicherheit gebracht hatten. Alle zusammen verharrten wir dort, aneinandergepresst wie Sardinen in der Dose, auf einer Fläche von vielleicht 3 x 4 m, warteten darauf, dass der Sturm nachließ und wir endlich schlafen könnten. Alles war genauso abrupt vorbei, wie es angefangen hatte. Allerdings hing noch Stunden später ein Feinstaub in der Luft, der sich nicht legen wollte. Er drang durch jede Faser und Pore, man atmete ihn selbst durch die Tücher, die wir ums Gesicht gewickelt hatten ein und er hinterließ einen ekligen Geschmack, wie Zementstaub, in Nase und Rachen. Wir waren alle zu erschöpft, um uns einen anderen Schlafplatz zu suchen und beschlossen, mit den Beduinen gemeinsam in unserer improvisierten "Karawanserei" zu schlafen. Wie umgekippte Dominosteine schliefen wir halb sitzend, halb liegend, jeder an seinen Nachbarn zur linken gelehnt, froh und erleichtert, dass der Sandsturm vorbei war und aufgeregt von diesem Abenteuer, irgendwann ein.




Heute morgen sah es rund ums Lager aus wie nach einem Anschlag, überall lag unser Krempel verteilt und Eva und Wolfgang zogen los, um die verloren gegangenen Isomatten, Kissen, etc. zu suchen. Auch wir selber sahen alle total fertig und mitgenommen aus. Besonders die Beduinen habe ich zum erstenmal dermaßen zerzaust und zerknittert aufstehen sehen. All die schöne Wascherei für nix! Vom vielen Staub sind meine Schleimhäute so trocken, dass ich Nasenbluten habe, die Augen brennen und meine Haare sind versengt. Aber spannend war es dennoch. Etwas Abenteuer gehört doch auch zu so einer Wüstenreise, oder ..?

Oh, ein wirklich niedliches Detail habe ich ganz vergessen zu erzählen: Eva hat so ein süßes, kleines "tülliges" Schmetterlingskissen mit, das zu den Dingen gehörte, die im Sturm gestern fortgeweht wurden (zusammen mit einer Isomatte und einigen anderen Dingen, die wir nicht rechtzeitig eingesammelt bekamen). Sie wollte aber partout nicht akzeptieren, dass dieses von ihr heißgeliebte Kissen wirklich verloren sei und zog mit dem ihr eigenen Optimismus los, den "Schmetterling" wieder einzufangen ... niemand glaubte so wirklich daran, dass auch nur die geringste Chance bestand, dieses winzige, leichte Kissen wiederzufinden. Außer Eva. Und ihr Glaube sollte belohnt werden – sie hat's tatsächlich gefunden!!! Ich weiß nicht, wie weit sie gelaufen ist, aber zum Schluss entdeckte sie es irgendwo in einem Seitental, wo es in eine Felsnische geweht worden war. Jippieh, da war die Freude groß!! Und so ganz nebenbei hat sie auch noch alle anderen verwehten Dinge unterwegs wiedergefunden – unglaublich, oder ?! Na, wenn das kein Glückskind ist ..!

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