Abschied von der Wüste

So, das war's. Wir haben die Wüste hinter uns gelassen – keine Kamele mehr, keine Beduinen – aber immerhin noch unsere kleine "Restwüstenfamilie", für zwei weitere Tage im Camp, bevor wir den Sinai dann ganz verlassen und jeder für sich wieder die Heimreise nach Deutschland antritt.



Unser letzter Ritt führte uns durch ein Tal, dessen Boden von Sandstein in den wunderschönsten Farben bedeckt war, wie seltene Mosaike in den ungewöhnlichsten Farbkombinationen: Lila mit Gelb, Malvenrosa und Grün, einfach traumhaft. Vor lauter "Aaahs"und "Oooohs" und natürlich unbedingt notwendigen Fotos, kamen Eva und ich kaum von der Stelle. Auch eine Möglichkeit, die Abreise hinauszuzögern ..!


Streckenweise sind wir geritten, es gab jedoch lange Wege, die wir zu Fuß zurücklegen mussten, denn schließlich haben wir uns in den letzten zwei Wochen auf einem Höhenniveau von durchschnittlich 800 - 1100 m bewegt und mussten nun zurück in "flachere Gefilde", um dort vom Jeep abgeholt werden zu können. Mehrmals ging es ziemlich steil nach oben, bevor der Pfad dann endlich bergab führte und diese Strecken zogen sich in der Hitze unendlich hin. Meine Erkältung macht mir ganz schön zu schaffen und zwischendurch dachte ich, ich schaff's nicht mehr. Ich war hochrot im Gesicht, mein Puls war bei "gefühlten 220" und meine Lunge tat weh als würde sie gleich platzen. Eine Stimme habe ich schon seit gestern nicht mehr, kann nur flüstern und krächzen, und das ewige Naselaufen macht das Reiten und Wandern auch nicht gemütlicher. Mein Körper hadert auf seine Weise mit allem.

Irgendwann hatten wir dann den letzten Pass überwunden – ja, selbst ich – und erreichten das Tal, in dem wir abgeholt werden sollten. Die Beduinen errichteten ein letztes, eher provisorisches Lager und bereiteten einen letzten Lunch. Der Wind verhinderte, dass irgendeine Form von Gemütlichkeit aufkam, er blies wirklich unfreundlich, als wolle er uns den Abschied leichter machen. Während wir phlegmatisch auf den Jeep warteten, wurden die Kamele umgesattelt, das Gepäck neu verteilt und auch von Seiten der Beduinen, die ja noch einen langen Kamelritt von mehreren Stunden vor sich hatten, alles für die eigene Heimreise vorbereitet, die wie es aussah, nicht im besten Wetter stattfinden würde.



(Erst lacht sie noch, die Lilli ... doch als sie dann im Jeep sitzt, sieht das Gesicht plötzlich ganz anders aus ..!)

Als der Jeep des Beduinen, der uns abholte, dann endlich eintraf, ging alles total schnell. In kürzester Zeit war unser Gepäck auf dem Dach verstaut und wir saßen nach einer schnellen Abschiedsrunde und großem Händeschütteln in alle Richtungen wahrhaftig im Auto. Wie klein und eng kam einem dieser Innenraum vor, nachdem man so lange keine Wände, kein Dach gesehen hatte. Wie eingepfercht fühlte ich mich. Eva weinte und hörte gar nicht mehr auf, so dass mir auch regelrecht die Tränen kamen. Irgendwie hatte es uns allen die Sprache verschlagen, jetzt wahrhaftig weg zu müssen. Maria hatte uns "vorgewarnt", dass wir es nicht persönlich nehmen dürften, wenn der Abschied kurz und schmerzlos ausfiele, dass es bei den Beduinen, die ja ständig weiterziehen müssen, nicht üblich sei, sich groß zu verabschieden. Man trenne sich oft sogar wortlos und jeder ging seiner Wege, ohne Bedauern, ohne große Emotionen oder Abschiedsfloskeln. Umso erstaunter waren wir, als die Beduinen uns alles andere als wortlos verabschiedeten ... mit großem Trara und lauten Abschiedsrufen ritten sie wie wild gewordene Cowboys, teils auf dem Kamel stehend, hinter dem Jeep her und winkten solange sie konnten. Ahmed weinte sogar. Farag, der mit uns kam, weil er die Verantwortung für uns trug, lachte und war total amüsiert über diesen ungewohnten Anblick seiner Freunde und Familie. Es war schön und machte den Abschied ein bisschen leichter.


(Ein letzter Blick aus dem Jeep – wir verlassen die Wüste ...)

Nach einer langen und recht schweigsamen Fahrt quer durch die Wüste erreichten wir irgendwann Nuweiba. Aber statt des erwarteten Ausblicks auf den Golf, der sich hätte leuchtend Blau vor uns auftun sollen, sahen wir nur eine gelbe Wand. Sand! Es hatte einen Sandsturm gegeben, der gerade abzog, und wir fragten uns, ob er auch "unsere" Beduinen auf ihrem Heimritt erwischt hatte. Welch ein deprimierendes Gefühl war es, wieder die vielen Autos zu sehen, die Checkpoints passieren zu müssen, von den schwer bewaffneten, schwarz gekleideten Militärs kontrolliert zu werden. Überall standen Panzerwagen und uns fiel ein, dass ja Ostern war, und es erst im Jahr vorher einen Anschlag im Sinai gegeben hatte, in Dahab, der Al-Quaida zugeschrieben wurde. Auch in Taba hatte es 2004 ein Bombenattentat gegeben, das vermutlich gegen die Israelis gerichtet war und so wollte man jetzt wohl Vorsorge treffen, da Ferienzeit bei den Israelis ist und sich viele in den Camps hier am Meer aufhalten.

Ja, die Camps ... so begeistert ich vor der Wüste war – aus der Wüste kommend war das Camp ein Kulturschock! Es war ein anderes Camp als das, in dem wir vorher waren, sehr gut besucht und alles andere als ruhig. Soviele Menschen!! Musik und Lärm und Gedränge. In meinem Kopf hat sich alles nur noch gedreht. Nach einer letzten Tasse Tee mit Farag, der in Thob und Tuch gekleidet, seltsam deplatziert unter den vielen Touristen in Badekleidung wirkte, war es dann endgültig vorbei mit dem Wüstenfeeling. Die Welt hat uns zurück.

Es hieß durchatmen, Ohren auf Durchzug stellen und das Gepäck zur Hütte tragen, die uns allen – unabhängig voneinander – viel zu eng vorkommt, um darin zu schlafen. Zu eng, zu niedrig, zu stickig. Der Freiraum der Wüste fehlt uns allen. Und so haben wir nun beschlossen, alle draußen zu schlafen, im Sand, trotz des Windes. Zumindest halten sich dadurch die Mücken in Grenzen, die sonst hier am Meer zur Plage werden können. Mir ist eh alles egal. Ich fühle mich fiebrig, kränklich, müde und überfordert von allem. Ich will einfach nur schlafen, egal wo und wie.

Keine Kommentare: