Die Wüste ruft ...

Heute war unser letzter Tag im Camp Alexandria Beach. Wir saßen in der Stille, frühstückten gemeinsam und verabschiedeten uns von unseren sudanesischen Gastgebern. Es hieß, das ohnehin schon spärliche Gepäck noch einmal reduzieren und alles im Camp lassen, was in der Wüste nicht unbedingt notwendig wäre. Kaum war alles gepackt, kam auch schon der Jeep von Anis, der das Kameltrekking organisiert hat und uns nun zu "unseren" Beduinen bringen würde. Alles wurde aufs Dach des Toyota geladen und wir kletterten hinten hinein. Es war nur eine kurze Fahrt bis an die Stelle etwas oberhalb von Nuweiba, wo die Wüste bis fast ans Meer reicht und wir starten sollten ...

Schon von weitem sahen wir die Kamele und die Beduinen, die bereits das von ihnen mitgebrachte Gepäck – Wasser, Gemüse, Teppiche, Töpfe, usw. – fest an den Kamelen verschnürten. Ich muss gestehen, die Situation erschien mir sehr irreal, obwohl ich ganz ruhig und voller Vorfreude war, meine Nervosität in Bezug auf die Wüste hatte sich längst gelegt. Unser Gepäck wurde vom Jeep geladen und ebenfalls auf die Kamele gepackt, während wir unsere Tücher umbanden, die uns zum einen vor der Sonne schützen sollen, bei uns Frauen aber auch dazu dienen, das Zusammensein mit den Beduinen zu vereinfachen, bei denen es nicht üblich ist, dass Frauen die Haare offen tragen.

Bevor ich mich versah, saß ich dann auch schon auf meinem Kamel. Alles war ganz einfach: linkes Knie zwischen Hals und Höcker des Kamels und mit viel Schwung das rechte Bein über den Sattel werfen. Anschließend den linken Fuß unter das rechte Bein klemmen, gut festhalten und nach hinten lehnen (das Kamel steht ja zuerst mit den Hinterbeinen auf) und schon ist man in luftigen Höhen. Dann heißt es die Leine gut am Sattel befestigen, denn wenn man einmal loslässt, hat man keine Chance mehr, selber wieder dran zu kommen, der Kopf des Kamels ist einfach zu weit weg ... und los gehts! Wow, das war echt super! Da saß ich also hoch oben auf meinem Kamel, fühlte mich wie die Königin von Saba und ritt elegant und furchtlos mitten in die Wüste hinein.



Unsere kleine Karawane (wir sechs, also Maria, Hans-Jürgen, Bernd, Wolfgang, Eva und ich, unsere sechs Kamele und viereinhalb Beduinen – Ahmet, der mir "zugeteilte", war noch ein Kind) bewegte sich eine gute Stunde vorwärts, dann kam der erste Gebirgszug, den es zu überwinden gab und den wir nicht auf den Kamelen überqueren konnten.
Farag, unser beduinischer Führer, ging mit uns zu Fuß, während die restlichen Beduinen mit den Kamelen einen anderen Weg nahmen, um schon das Lager vorzubereiten, in dem wir später unsere Mittagsrast halten würden. Wir zogen also unsere Bergschuhe an und folgten Farag zunächst in eine Schlucht, wo es eine kleine Steilwand an einem Seil zu erklimmen gab, um weiter zu kommen. Die nächste Felsstufe wurde mittels einer seltsamen, wackligen Metalleiter überwunden, deren untere Füße in den Boden gerammt waren.


Höher und höher ging es, bis wir dann unsere erste Etappe erreicht hatten, unser Lager auf knapp 700 m ü.NN, wo Kamele und Beduinen bereits auf uns warteten. Inzwischen war es ziemlich heiß geworden und wir campierten im Schatten einer Felsschlucht. Die Beduinen hatten einen köstlichen Lunch zubereitet, wir aßen und rasteten, während sie selber ein kurzes Nickerchen machten. Nach dem Mittagessen ging es dann zu Fuß weiter.

Während die Kamele und einige der Beduinen schon zu unserem ersten Nachtlager vorritten, durchwanderten wir die Berge und mehrere kleine Oasen. Eine Oase fiel besonders ins Auge – Moyat El-Wishwashi – dort bildeten die Palmen einen regelrechten kleinen Dschungel, den wir geduckt durchkrochen. Es war sehr feucht, überall kam Salpeter aus dem Boden, die harten Palmblätter und langes, spitzes Gras zerstochen und zerkratzen uns die Haut und überall wimmelte es von Springspinnen. Augen zu und durch! Ich war jedenfalls froh, als wir am anderen Ende ankamen und an einer Lichtung eine kurze Pause machten.

Der Anblick war wunderschön, zartrosa und apricotfarbene Berge, davor die grünen Palmen und Feigenbäume und dahinter der blaue Himmel. Farag erklärte uns, dass es sich um einen magischen Ort handele. Angeblich gibt es dort einen Zauber, so glauben die Beduinen: Man kann zwar an diesem Ort schlafen und sich dort mit den reichlich wachsenden Datteln versorgen, darf jedoch immer nur soviele nehmen, wie man eben zum satt werden braucht. Trägt man zuviele Datteln weg oder bereichert sich daran, versucht sie zu verkaufen oder ähnliches, geschieht einem ein Unglück, wie z.B. dass ein Sohn oder ein Kamel stirbt, man selber krank wird, usw. Trotz allem empfand ich diesen Ort als sehr friedlich und angenehm, Zauber hin oder her.
Farag erklärte uns auch noch viel zu den vorhandenen Kräutern und Pflanzen, wie die Beduinen sie einsetzen, als Medizin oder für Teezubereitungen, was – zumindest für mich und Hans-Jürgen – sehr interessant war, und dann ging es weiter.

Eine letzte Hochebene musste erklommen werden und wir schnauften und ächzten, als wir endlich oben waren, wurden aber durch den Anblick mehr als entschädigt: Auf der anderen Seite lag ein weites Tal, in einem Canyon, eng an den Fels geschmiegt, eine wunderschöne große Oase mit Palmen, Tümpeln und viel Schilf, eingerahmt von einer Bergkette. Unser erstes Nachtlager ... wunderschön! Und da sitze ich nun, auf meinem Schlafsack, an einen kleinen Felsen gelehnt, schaue auf die Berge im letzten Sonnenlicht, betrachte mein Kamel, wie es an einer Akazie frisst und harre der Dinge die da kommen – meine erste Nacht unter freiem Himmel! Gleich gibt es eine kurze Meditation, dann Abendessen und irgendwann wird es dann ernst und ich muss schlafen gehen ... in der Wüste ... endlich! Wirklich ..?


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